Lesepredigt

Lesepredigt zu Christi Himmelfahrt (09.05.2024)

Apostelgeschichte 1,3-11

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus.

 

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein – an Christi Himmelfahrt muss ich immer wieder an diesen Schlager denken und ich muss gestehen: schon als Kind hatte ich so meine Probleme mit dem Text des Liedes. Höhe macht mir eigentlich eher Angst. Jeder Flug kostet mich Überwindung. Wie schön ist es da, dass heute nur unser Blick nach oben gerichtet sein soll und wir dabei mit beiden Füßen fest auf dem Boden der Tatsachen stehen. In den Himmel gefahren ist zunächst einmal nur einer. Der Himmelsstürmer Jesus.

Nach Kreuz, Tod und Auferstehung ist er zurück zu seinem Vater gegangen. Wir sagen „in den Himmel“ oder „über den Wolken“, weil wir nicht wissen, wie wir es sonst sagen sollten. Zugleich wissen wir aber auch, dass wir nicht einfach den blauen Himmel meinen. Jesus sitzt nicht auf einer Wolke, wie man es sich als Kind vorgestellt hat. Dass Jesus in den Himmel fährt, hat eher etwas von „Hinterm Horizont geht es weiter“ – nur leider ist unser menschlicher Horizont oft eingeschränkt: Was bedeutet der Himmel? – diese Frage stelle ich uns heute.

Jesus fährt in den Himmel – aber in der Bibel erfahren wir noch mehr. Jesus verabschiedet sich zugleich auch von seinen engsten Weggefährten, den Jüngern und gibt ihnen für die Zukunft mit, dass sie beisammenbleiben sollen, denn da kommt noch etwas. Sie sollen gemeinsam auf eine anbrechende Begeisterung warten. Dann würden sie wieder ganz Feuer und Flamme für Gott sein. Und diese Begeisterung für Gott wird sich dann ausbreiten – auf der ganzen Welt. Eine Begeisterung, die heute vielleicht mancher von uns vermisst.

Während also der Eine himmelhoch hinaus zu Gott nachhause geht, steht sein ganzes Bodenpersonal alleingelassen da und wartet auf den Einsatz, erdennah und ganz konkret im Hier und Jetzt – bis heute.

Und wie die ersten Jünger damals fragen auch wir uns bis heute: Was sollen wir tun? Wie geht es weiter? Was passiert jetzt zwischen Himmel und Erde?

Das sind viele Fragen für einen Tag – ich will zumindest versuchen einige der Fragen zu beantworten. Noch besser würde ich es finden, wenn ich Sie heute mit den Fragen neugierig gemacht habe und Sie sich gemeinsam auf die Suche nach Antworten machen.

 

Jesus fährt in den Himmel – doch was bedeutet der Himmel?

In den Himmel wollen wir als Christinnen und Christen doch alle. So wie in einem Kindergebet: „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm!“ Aber das Gebet müsste eigentlich noch ergänzt weitergehen mit der kurzen Bitte: „Aber bitte nicht gleich!“ Der Himmel ist ein Ort, der erstrebenswert ist, aber vorerst kann der Himmel noch ein bisschen warten. Auch wenn der Himmel der Ort ist, bei dem wir Gott ganz nahe sind, sozusagen Gottes Wohnung, sein Zuhause, dann bleibt es doch dabei, dass wir am Leben hier auf Erden hängen und gerne noch ein bisschen hierbleiben.

Und das Schöne ist: Mit Jesus haben wir ja schon unseren Himmelsmann. Jesus kommt vom Himmel und war doch hier. Seit er vom Himmel hoch zu uns heruntergekommen ist, fängt der Himmel ja schon auf der Erde an und reicht bis hinauf. Er hat zu seinen Jüngern beim Abschied gesagt: „Ich gehe schon mal für euch vor und richte im Himmel alles soweit ein. Im Himmel, da könnt ihr ganz sicher sein, hat Gott viele Wohnungen. Da ist für alle ein Zimmer frei. Die Himmelstür lass ich einen Spalt breit offen, damit ihr jederzeit einziehen könnt!“

So schön und einfach ist das mit dem Himmel.

Aber vielleicht kennen Sie auch das: Manchmal da wird einem himmelangst. Das sagen wir, wenn uns etwas fremd ist und bedrohlich erscheint. Denn auch so kann der Himmel auf uns wirken, besonders, wenn man daran denkt, dass dort im Himmel ja auch das Jüngste Gericht und der strafende Gott auf uns warten. Mit der Rede vom Himmel hat man den Menschen von oben herab auch oft Angst gemacht – das bezeugt die Kirchengeschichte leider nur zu gut. Jesus dagegen hat vor allem vom Himmelreich gepredigt. Ein Sehnsuchtsort, an dem es sich gut anfühlt, weil es gerecht und friedlich zugeht. Und tatsächlich verspricht die Bibel am Ende ganz Wunderbares im Hinblick auf das Himmelreich, wo Gott alle unsere Tränen abwischen wird. Dann werden wir sein in der Wohnung Gottes und alles wird anders sein, als wir es uns jetzt mit unserem von Ängsten beschränkten Horizont vorstellen können. Und Gott wird im Himmel zu uns sagen: „Siehe, ich mache alles neu!“

 

Unser Blick richtet sich heute aber nicht nur in den Himmel. Wir stehen ja weiterhin auf dem Boden der Tatsachen. Und kirchliche und weltliche Wirklichkeit ziehen uns da momentan ganz schön weit zurück auf den Boden: Krieg, Flucht und Klimakrise in der Welt – scheinbar rennt die Menschheit momentan sehenden Auges auf den Abgrund zu, anstatt den Blick nach oben in den Himmel zu wagen und sich zu fragen, wie das Himmelreich auch mitten unter uns Gestalt annehmen kann. In den Kirchen geben wir dazu selten Antworten, die von der Öffentlichkeit beachtet werden – stattdessen geht es um Missbrauch, Mitglieder- und Bedeutungsverlust. Statt Begeisterung für die Kirche erlebe ich immer öfter hängende Köpfe, Unzufriedenheit und ganz viel berechtigte Kritik, die zugunsten von „das war schon immer so“ unter den Teppich gekehrt wird. Himmelfahrt ist da doch eigentlich genau der Tag, der uns auf andere Gedanken bringen soll – und zugleich wird einem bewusst, dass heute wohl die meisten Menschen Vatertag feiern und bei Himmelfahrt eher daran denken, dass es heute noch himmelblau weitergeht.

Vieles zieht unseren Blick nur allzu bewusst vom Himmel weg auf den Boden der Tatsachen. Und doch lautet die Devise heute: Kopf hoch! Als Christinnen und Christen erheben wir Einspruch gegen die ganze Untergangsstimmung. Denn Himmel und Erde sind nicht getrennt voneinander. Jesus ging den Weg für uns voran. Durch Jesus fängt der Himmel ja schon auf der Erde an und reicht bis hinauf. Den Himmel auf Erden finden wir nur, wenn wir danach Ausschau halten. Wenn wir darauf vertrauen, dass Gott auch heute noch Menschen für seine Sache begeistern will. An Himmelfahrt recken und strecken wir uns danach. Wir stehen auf den Zehenspitzen der Zuversicht. Das mit dem Blick in den Himmel ist dabei ein richtiger Balanceakt: Schon die ersten Jünger standen damals mit offenen Mündern und starrten in den Himmel – was auf Erden ist, interessierte sie nicht mehr. Vielleicht würden sie heute noch mit offenem Mund und großen Augen einfach dastehen, wenn nicht die Engel gekommen wären, damit ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehrt. Wer Himmelfahrt feiert, bekommt den Auftrag zur Landung auf der Erde – um vom Himmel Gottes zu berichten, um dazu beizutragen, dass Jesu Werk auf Erden weitergeht, damit Himmel und Erde nicht getrennt voneinander sind, sondern der Himmel auf Erden beginnt. Das ist kein leichter Auftrag an uns – die vielen gesenkten Köpfe in unseren Kirchen sind dafür ein Beweis. Aber wir können immer wieder neu anfangen – es muss nicht so weitergehen, wie es immer war. Wir können anfangen einander anzuhimmeln, zu ermutigen, zu begeistern.

 

Himmelfahrt ermutigt uns dazu, uns nicht von der allgemeinen Untergangsstimmung blockieren zu lassen. Himmelfahrt will uns zu aufrechten Visionären machen, die an mehr glauben als an das, was sie gerade sehen. Zu Menschen, die daran glauben, dass es hinter dem Horizont weitergeht und die Freiheit über den Wolken wohl grenzenlos ist. Zu Menschen die fest davon ausgehen, dass uns der Himmel blüht, wenn wir die Erde lieben.

 

Ich hoffe, dass Himmelfahrt uns keine Höhenangst bereitet und wir vielleicht ein bisschen Lust nach oben gewonnen haben. Als Christinnen und Christen sollten wir unbedingt auch einen Blick für den Himmel haben. Denn nur wer Ausschau nach dem Himmel hält, wird den Kopf nicht hängen lassen, wird aufrecht gehen, wird grade stehen, wird andere sehen, wird weitergehen. Mit Blick zu den Sternen und Achtsamkeit für die Gassen. So wird Himmelfahrt zu einem Aufbruch inmitten unserer oft schweren Wirklichkeit. So wünsche ich uns heute, dass sich Himmel und Erde berühren, wenn wir vom Himmel träumen und daran arbeiten, dass es Himmel auf Erden werde.

 

 

Amen.